Iltarion - Das Ende Yurashins
„So ist es nun also an mir, als jener Fürst der Kinder Iltharions in die Geschichte einzugehen, welcher nicht in der Lage war sein Volk vor der Dunkelheit zu schützen und sie stattdessen hilflos in deren eisige Hände gleiten ließ.“
Thalladus hatte während sein König sprach nicht die Kraft gehabt ihm ins Gesicht zu schauen, doch nachdem dieser stumm blieb hob der Berater langsam seinen Kopf und fand einen gebrochenen Mann neben sich. In den letzten Jahren war sein König merklich gealtert, doch wer wollte es ihm verübeln nach all dem Grauen und Schmerz den er erlebt hatte. Er hatte miterleben müssen wie seine Söhne Einer nach dem Anderen den dunklen Horden zum Opfer gefallen waren. Dennoch war es für alle Elfen eine dunkle Zeit voller Schmerz und Ohnmacht gewesen.
Wehmütig entsann er sich der Zeiten des Friedens und des Glücks in denen er müßig durch die Wälder Yurashin’s gewandert war. Doch diese Momente lagen so weit zurück, dass er sich ihrer nur mit Mühe erinnern konnte. War es denn wirklich schon so lange her? Es waren nur annähernd hundert Jahre vergangen seit die Horden von Dämonen Yara’s Leib betreten hatten, schrecklicher und mächtiger als jemals zuvor. Das Volk der Elfen hatte so manches Unheil überlebt. Thalladus erinnerte sich an jene Stunden in denen er als junger Elf von den vergangenen Zeiten gehört hatte. Jenen Zeiten in denen die Elfen gegen Zwerge und Ashalan gekämpft hatten. Oft hatten sie vor der endgültigen Niederlage gestanden, doch noch nie waren sie dem Abgrund so nahe wie jetzt. Zuerst war Sharulan gefallen, die Stadt im ewigen Eis. Uneinnehmbar war sie gewesen, doch den Horden war sie innerhalb eines Tages zum Opfer gefallen und Tarsinion hatte an diesem Tage seinen ältesten Sohn verloren, Tirasion den Fürsten Sharulan’s. Mit ihm waren auch seine Söhne und Töchter gestorben. Nichts und niemanden hatten die Dämonen am Leben gelassen und die Stadt bis auf ihre Grundfesten geschleift. Ilo, die Stadt einst mit Hilfe mächtiger Magie aus dem Ozean erhoben, war kurz danach gefallen, genauso wie Ascalion und Moshasan. Nur Phelesophos, die grüne Stadt, welche inmitten der blühenden Felder der Ebene von Aphalos stand hatte dem Sturm des Bösen kurz standhalten können. Doch auch die herangeeilte Streitmacht der Elfen Yurashin’s hatte den Fall der Stadt nicht verhindern können und Tarsinion hatte an diesem Tag seine beiden anderen Söhne verloren, wie auch viele andere Väter und Mütter. Lange würde es nicht mehr dauern und das Dämonenheer würde die Ebene von Yarolinth erreichen um ihr blutiges Werk zu vollenden. Auf ihrem Marsch des Todes durch Rivallon hatten sie fast alle Landstriche verwüstet, seinen Kundschaftern zufolge waren die Titanen und Schrate bis auf den Letzten niedergemacht worden. Auch von den Zwergen waren erschreckende Berichte eingetroffen. Die wenigen welche die erste große Schlacht überlebt hatten, waren mit ihren Sippen soweit unter die Erde geflüchtet wie es ihnen möglich war und so kamen auch von ihnen keine Nachrichten mehr. Wie es den Schattenelfen ergangen war konnte Thalladus nicht einmal erahnen. Eine uralte Feindschaft verband sie mit der Sippe Iltharion’s und so waren schon seit Äonen keine Nachrichten mehr gehört worden. Auch die Kundschafter waren nicht zurückgekehrt, dabei wäre ein Bündnis das einzige gewesen, dass den Untergang allen Lebens auf Yara noch verhindern hätte können.
Unvermittelt wurde Thalladus, durch eine Bewegung neben ihm aus seinen Gedanken aufgeschreckt. Ein Teil der alten Kraft war in den König zurückgekehrt und er reckte den Hals gen Süden auf die Ebene von Yarolinth hinaus.
„Kannst du ihn sehen Thalladus? Da kommt jemand. Schnell rufe die Wachen auf ihre Posten!“
So sehr sich der Berater auch anstrengte er konnte nicht erkennen, was der König gesehen zu haben glaubte. Dennoch standen nach einigen Augenblicken die Bogenschützen, durch den Klang der Alarmglocke aufgeschreckt, auf den Wehrgängen erschienen während Thalladus seinem Herrscher hinterrannte und versuchte wieder zu ihm aufzuschließen. Endlich am großen Tor der Stadt, welches auf einen Wink des Königs hin geöffnet wurde, gelang es ihm zu Tarsinion aufzuschließen. Genauso verwundert wie jener schaute er auf den unerwarteten Besucher der genau vor dem Tor stand und dessen Blick die Mauern entlang wanderte, als ob er etwas betrachtete was er schon lange nicht mehr gesehen hatte. Seine Statur war wahrlich eindrucksvoll. Er überragte den Fürsten um einen halben Kopf und Tarsinion war ein sehr großer Elf. Die Hand an seinem Schwert begutachtete Thalladus argwöhnisch den Besucher, dessen Gesicht unter einer Kapuze verborgen lag und wollte gerade nach seinem Begehr fragen, als jener seine Hände zur Kapuze hob und selbige mitsamt des Umhangs zu Boden fallen ließ. Schneeweißes Haar strömte über seinen Rücken und sein Blick wandelte einem Träumer gleich zwischen den beiden Elfen hin und her. Ein Gedanke bahnte sich den Weg in das Denken des Beraters. Vor ihnen stand ein Elf, ein sehr ungewöhnlicher Elf in einer schimmernden Rüstung, doch all dies fiel Thalladus nur unbewusst auf, denn das Gesicht des Mannes kam ihm merkwürdig bekannt vor.
„Wahrlich lang ist es her das ich Yurashin erblickte, doch noch immer ist meine Stadt so schön, wie einst. Du hast sie gut bewacht Tarsinion. Du und alle meine Kinder vor mir. Doch wahrlich dunkel ist die Stunde und so war es an der Zeit das ich zurückkehre und meine Bestimmung erfülle, auch wenn es mich schmerzt.“
Plötzlich sank Tarsinion auf die Knie und verbeugte sich tief vor dem Fremden. Sein Begleiter wollte eben zu einer zornigen Erwiderung ansetzen, die ihm ob der unfassbaren Worte des Elfen auf den Lippen lag, doch die klare Stimme seines Königs ließ ihn innehalten und der Worte Geschichte zwangen ihn in ihren Bann und so beugte auch Thalladus unvermittelt sein Haupt.
„Vater meiner Väter wahrlich dunkel ist die Stunde in der du deinen Kindern ein letztes Mal zur Seite stehen willst. Und umso mehr bin ich erschüttert, dass das Ende nun gekommen sein soll. So steht es geschrieben, das Iltharion zurückkehren wird um das Ende Yurashin’s zu erleben und mit seinen Kindern in den ewigen Schlaf zu gehen, den Schlaf des Vergessens. Und doch freut sich mein Herz, denn ich weiß nun das ich neben meinem Ahnvater sterben werde.“
„Wahr sind die Worte die du sprichst, doch verzage nicht. Lass uns hineingehen, sie sind noch weit weg, doch Sie sind bald da und wir werden sie empfangen. Später wird die Zeit sein, das wir uns unterhalten und ich meine Stadt und Yarolinth ein letztes Mal durchstreife.“
Gemessenen Schrittes ging Iltharion an den beiden knienden Elfen vorbei, die sich nach kurzem erhoben und ihm in die Stadt folgten. Gerade in dem Augenblick als Iltharion das Tor durchschritt erklang eine weitere Glocke, die laut alle Kämpfer zu den Waffen rief. Doch obwohl Thalladus den Sinn ihrer Klänge verstand, hatte er sie noch nie läuten hören, bis ihm die Erkenntnis wie Schuppen von den Augen fiel. Es war die Glocke der Wacht welche den Pass im Norden bewachte, jenen Pass der ins Tal Tercus führte, in dem früher die Zwerge der Sippe Khorims Sippe gewacht hatten, doch schon viele hundert Jahre war keiner der ihren mehr in das Tal gelangt, welches im Krieg gegen die Zwerge gefallen war.
„Der Feind ist in unseren Mauern, zu den Waffen wir müssen ihn aufhalten.“
Tarsinion und Thalladus eilten an der Spitze ihrer Krieger gen Norden um das Tor zu bemannen und die Gegner zurückzutreiben, denn sie glaubten die Worte Iltharions verstanden zu haben. Verwunderung hatte sie ergriffen, als ihr Stammvater nicht mit ihnen vorangestürmt war, aber es war wohl noch nicht die Zeit für den letzten Kampf und so würden sie sich ein weiteres Mal im Kampf gegen das Böse bewähren.
Nach kurzer Zeit waren alle Wehrgänge der Nordmauer besetzt und obwohl sie viele Verluste zu beklagen, hatte Yurashin noch immer eine gewaltige Streitmacht zu ihrem Schutz. Während die Kämpfer das Nahen des Feindes erwarteten, dessen Hörner das Nahen ankündigten, erreichte auch Iltharion das Nordtor, dass sich auf seinen Wink hin öffnete und ihm den Durchgang erlaubte. Ungläubig starrte Tarsinion auf das Geschehen, doch nach kurzem folgte er dem Stammvater ihrer Sippe mit seiner Leibwache, während Thalladus den Kriegern und Kriegerinnen auf den Wällen befahl nichts zu unternehmen solange sich der König nicht in unmittelbarer Gefahr befand.
Tarsinion, der inzwischen zu Iltharion aufgeschlossen hatte und ihn zur Rede stellen wollte, wurde von selbigem mit einer Geste zur Stille gemahnt und als er dem Arm des Elfen folgte konnte er im aufgehenden Sonnenlicht die ersten Banner der Zwergenarmee erkennen, welche den Pass herunterströmte. Ihre schiere Anzahl raubte ihm den Atem. Nie hätte er erwartet, dass die Zwerge eine so große Armee aufstellen könnten. Eine Armee die seit den Tagen des großen Krieges nicht mehr gesehen ward. Wahrlich ein jeder kampffähige Zwerg musste sich dem Heerzug angeschlossen haben, um den Elfen noch vor den anrollenden Dämonenhorden ein Ende zu bereiten. Furcht drängte ihn mit Iltharion zurück hinter die schützenden Mauern der Stadt zurückzukehren, doch der Blick des Fürsten aller Hochelfen war noch immer auf den Heerzug gerichtet, so als ob er Jemanden suchte.
Schließlich umspielte ein Lächeln Iltharions Züge, er hatte jene beiden gefunden, nach denen sein Herz sich solange gesehnt hatte. Auch Tarsinion konnte nun zwischen den Zwergen einen Elfen ausmachen, der unter einem ihm unbekannten Banner an der Spitze der Streitmacht herankam.
„Falls du dieses Banner nicht kennst Tarsinion, sei unbesorgt. Es ist das Banner der Kinder von Khorim und er schreitet neben Altharion, meinem ältesten Sohn an der Spitze seiner Nachfahren, den letzten seiner Sippe und den anderen Kindern der Zwerge aller Stämme.“
Freude und Glück waren nach Yurashin zurückgekehrt und auch wenn der Schatten des Untergangs über den Elfen und den Zwergen ruhte, so würde dieser Tag ein Fest werden und nicht einmal die nahenden Dämonenhorden würden dies verhindern können. Ein letztes Mal würden die Kinder des Waldes und der Erde zusammen in den Kampf ziehen, auch wenn es ihren Untergang bedeuten sollte.
Viel war in den letzen Sonnenumläufen passiert und Thalladus konnte noch immer nicht fassen, wie jetzt, da sich doch alles zum Guten gewendet hatte, das Böse noch obsiegen sollte. Die Maschinenmeister der Zwerge hatten in Windeseile riesige Katapulte errichtet während die Steinmetze die Mauern Yurashin’s an verschiedenen Stellen verstärkt hatten. Vor Kurzem waren auch die letzten überlebenden Schrate eingefunden und halfen wo immer sie konnten. Ihnen folgte eine Gruppe Titanen unter der Führung ihres Fürsten Bashklam, welche sich während des Angriffes auf ihr Reich weit entfernt im Osten aufgehalten hatten. So bot die Streitmacht innerhalb der Mauern der ältesten Stadt auf Rivallon ein eindrucksvolles Bild, zwischen den haushohen Titan liefen Zwerge geschäftig hin und her, die Hämmer der Schmiede sangen Tag und Nacht ihr Lied während die Feen, welche sich ebenfalls schon vor geraumer Zeit nach Yurashin geflüchtet hatten, die ganze Stadt in ein blühendes Meer verwandelten.
Doch Schönheit ist vergänglich und auf Licht folgt Dunkelheit und so erreichten eines wunderschönen Nachmittags Nachrichten vom drohenden Unheil die Stadt und ihre Bewohner. Tarsinion hatte viele Kundschafter ausgeschickt um das Nahen der Dämonen zu beobachten, doch nur einer von ihnen kehrte schwer verwundet zurück und berichtete ihnen von einer riesigen Streitmacht, noch größer als jene der sie bei Phelesophos gegenübergestanden hatten. Zwei mondbeschienene Nächte blieben ihnen noch, bevor sich das Heer der Dämonen über die Ebene von Yarolinth ergoss, größer und schrecklicher noch, als es sich Elf und Zwerg hätten vorstellen können. Alle Arten des Schreckens waren in ihren Reihen, vom schwachen niederen bis zum mächtigen Dämonen näherten sie sich kriechend, fließend, marschierend und fliegend den Mauern Yurashins. Ihr Anführer der elfgehörnte XsashThur war auch über mehrere Meilen hinweg zu erkennen, ob seiner Größe, die selbst einen Titanen wie einen Knaben aussehen ließ. Er war der mächtigste und schrecklichste Diener jenes Bösen, das all seine Kämpfer aufgebracht hatte um Yara endlich sterben zu sehen, dennoch waren auch die anderen mächtigen Dämonen übermächtige Gegner, das hatten viele tapfere Seelen vor ihnen erfahren müssen. Neben jene Schrecken öffnete noch ein weiterer, schmerzlicherer der Angst die Tür in die Herzen der Kämpfer, denn mit den Dämonen war ein zweites Heer vor den Mauern angelangt. Ein riesiges Heer der Geschlagenen, deren Seelen in die Hallen der Götter eingehen hätten sollen, doch die Macht der Dämonen, welche sich in ihre toten Körper eingenistet hatte, verwehrte jenen Tapferen, ob Elf, Zwerg, Titan den Weg in die Hallen der Ewigkeit.
Kurz bevor die Sonne ihren täglichen Weg beschreiten wollte, hatten die Dämonen die Stadt fast erreicht, um den letzten und vernichtenden Schlag zu führen und selbst die Sonne konnte die Dunkelheit nicht verscheuchen welche sich mit ihrem Eintreffen über Yarolinth gelegt hatte und ob ihrer unermesslichen Anzahl, war auch dem letzten Streiter innerhalb Yurashin’s bewusst geworden, das ihre Kräfte wohl bei weitem nicht ausreichen würden, um einen Sieg zu erringen.